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Todes- und Jenseitsvorstellungen im Islam und Judentum

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Victoria Niegel

Der Tod- was ist das? Kann er allgemein definiert werden? Was kann man sich darunter vorstellen? Und was geschieht nach dem Tod?

Es gibt viele verschiedene Versuche, das  Phänomen des Sterbens zu definieren. Evolutionstheoretisch wird er als “das Ende des biologischen Lebens” ( Horn 2008, S.1196) beschrieben. Das heißt sobald alle organischen Funktionen abgeschlossen sind und der Mensch keine “Lebenszeichen von sich gibt” (Horn 2008, S.1196) kann von einem Tod gesprochen werden. Innerhalb der philosophisch-literarischen Auffassung herrscht eine “Verdrängung oder Ignorierung” ( Horn 2008, S.1198) des Todes während innerhalb der Bibel keine Unsterblichkeitstheorien bekannt sind und dennoch auf eine Auferweckung gehofft wird. (Horn 2008, S.1197). Fakt ist:

“Die einheitliche Wirklichkeit des T. gibt es nicht, da sein Wesen sich unserem Begriff entzieht” (Horn 2008, S.1198).

Um definieren zu können was der Tod ist, wie er sich anfühlt und was danach geschieht, müssten wir lebendig und tot zugleich sein. Es bleiben uns also lediglich Spekulationen und der persönliche Glaube.

Der Tod, die Fragen nach seinem Ursprung und seinem Sinn sowie nach dem postmortalen Schicksal des Menschen sind in den Weltreligionen von zentraler Bedeutung. (Vgl.Buchberger 2001, S.68) Der Tod, sowie das postmortale Geschehen wird in den einzelnen Religionen unterschiedlich definiert. Innerhalb dieses Blogs werde ich die Todes- und Jenseitsvorstellungen des Islams mit denen des Judentums vergleichen.

Aus theologischer Sicht ist der Tod “etwas dem -> Leben Widerwärtiges, ein “letzter”, jedoch nicht prinzipiell unüberwindlicher “Feind” (1Kor 15,26) ” .( Horn 2008, S.1196)

Im Islam schwört ein Muslim, dass “sein Gebet,sein Opfer, sein Leben und sogar sein Tod um Gottes Willen geschehen möge” (Hübsch 2003, S. 36) . Er strebt danach eine Vereinigung mit Allah zu erreichen und stellt seinen eigenen Tod unter dessen Willen. Die Lehre des Islams versucht dem Tod seinen Schrecken zu nehmen und beschreibt das Sterben als ein “Hinübergehen in einen anderen Zustand des Seins” ( Hübsch 2003, S.38). Stirbt ein Muslim, d.h. hat er einen physischen Tod erreicht, wird er nicht lange aufgebahrt, sondern direkt von seinen Freunden und seiner Familie gewaschen. Nachdem künstliche Teile, wie Schmuck oder ein Gebiss, entfernt wurden wird der Leichnam in ein weißes Tuch gewickelt, um daraufhin an einem öffentlichen Ort “quer zur Richtung Mekka aufgebahrt” ( Hübsch 2003, S. 39) zu werden. Nachdem das Totengebet namens ” Janaza”, welches nur von den Männern verrichtet wird, gesprochen wurde, wird der Verstorbene zu seinem Grab gebracht und begraben. Die gesamte Gemeinde verrichtet daraufhin ein stilles Gebet (namens “Dua-Gebet”), welches vom Imam ( dem Vorbeter) mit dem Wort ” Amen” (Hübsch 2003, S.43) beendet wird.

Im Islam ist es vorgeschrieben einer Erdbestattung zu folgen. Das Grab ist jedoch nicht der tatsächliche Aufenthaltsort des Toten. Seine Seele befindet sich in einer anderen Dimension, welche die Lebenden nicht erfahren können. Es kann jedoch eine Verbindung zwischen dem Bestattungsort und der überdimensionalen Welt bestehen. Ein Verstorbener und ein Lebender können eine Verbindung in Form einer Vision oder eines Traumes aufnehmen. Zwischen dem Diesseits und der Auferstehung befindet sich der Verstorbene in einer Zwischenstation, der sogenannten “Barsakh” ( Hübsch 2003, S. 46).

Der Koran unterscheidet zwischen drei Welten. Die erste Welt ist die, in der man durch die Geburt eingetreten ist. Die 2. Welt ist die, die im Grab erlebt wird. Das bedeutet die Welt, in der das Paradies oder die Hölle erfahren wird bevor innerhalb der 3. Welt “Paradies oder Hölle auf vollkommene Art manifest werden.” ( Hübsch 2003, S. 47)  Der Barsakh ist mit einem langen Schlaf zu vergleichen. Der Verstorbene erfährt das Paradies oder die Hölle nicht in vollem Maße, sondern träumt lediglich davon. Die Hölle äußert sich demnach in Alpträumen.

Zu Beginn des Barsakh fragen die Engel Munkar und Nakir den Toten nach seinem Glauben. Das islamische Glaubensbekenntnis genügt hierbei, um auf eine Vergebung am Tag des Gerichtes ( “Yaumiddin”) zu hoffen.  Ins Paradies gelangen jedoch nur die, die sich auch an die Gebote gehalten haben. Der Eintritt ins Paradies, welcher “ausschließlich von Allahs Gnade abhängt” (Hübsch 2003, S.48) wird durch das religiös richtige Verhalten, sowohl in Wort als auch in Tat, begünstigt. ( Vgl.Hübsch 2003,S.48) Derjenige der seiner Religion und ihrer Moral mit Spott begegnet wird in die Hölle gelangen. In diesem Fall können die Hinterbliebenen des Toten seinen postmortalen Zustand verbessern, in dem sie Vergebung von Allah erflehen. Der Verstorbene selbst besitzt “keine Möglichkeit mehr zur Reform oder Umkehr” ( Hübsch 2003, S.51) seiner Taten. Das Jüngste Gericht findet  nach dem Barsakh statt. Ähnlich wie in den Naturwissenschaften lehrt der Islam, dass der Körper bei Eintritt des Todes zerfällt, sodass eine Rückkehr ins Leben nicht ermöglicht wird.

Im Judentum herrscht kein klares Konzept für den Tod und das Leben danach. Es gibt jedoch klare Vorschriften für den Umgang mit dem Tod, sowohl für die Verstorbenen als auch für die Hinterbliebenen. (Vgl. Ehrlich 2005, S. 89) Ein Verstorbener muss nach seinem Tod  so schnell wie möglich bestattet werden (wenn möglich am selben Tag oder 24Std. danach) und wird zunächst von einer Beerdigungsbruderschaft (“chevra kaddischa”) gewaschen und in ein schlichtes Gewand aus weißem Leinen gewickelt. Aufgrund der jüdischen Geschlechtertrennung, muss eine weibliche Leiche von einer Beerdigungsschwesternschaft gewaschen werden. Dieser Dienst wird ehrenamtlich und aus Nächstenliebe vollzogen. Außerdem ist es Pflicht, dass der Leichnam bis zur Beerdigung von Verwandten oder Freunden beaufsichtigt wird. Das Judentum verzichtet auf eine prunkvolle Beerdigung und folgt dem Ritual “Verstorbene in einem anspruchslos gearbeiteten Holzsarg beizusetzen.” (Brämer 2010, S. 121) Dieses basiert auf dem Gedanken, dass vor Gott alle gleich sind. Es verdeutlicht Hiob 1,21 : ” Nackt kam ich hervor aus dem Schoß meiner Mutter; nackt kehre ich dahin zurück. Der Herr hat gegeben, der Herr hat genommen.”

Während eines Trauergottesdienstes werden das Gebet “El male Rachamim” (Herr voll der Gnade), Psalme sowie eine Trauerrede, in der das Leben des Verstorbenen dargestellt wird, gesprochen. Nach der Beerdigung spricht der Sohn des Toten oder ein männlicher Verwandter das wichtigste Gebet des Judentums: das “Kaddisch”. Die Hinterbliebenen folgen zunächst einer Trauerzeit von elf Monaten. Die intensive Trauer (“shiwa”) dauert mindestens eine Woche an. In der Zeit enthalten sich die Trauernden der üblichen Lebensführung und bleiben zu Hause. Die Gemeindemitglieder unterstützen sie währenddessen und statten ihnen zum täglichen Gebet einen Besuch ab.  Im darauf folgenden Monat findet die wenig intensivere Trauer (“scheloschim”) statt, in der die Hinterbliebenen ihren Alltag wieder aufnehmen. Am ersten Todestag wird dem Verstorbenen gedacht und ein Trauergebet gesprochen. (Vgl. Ehrlich 2005, S.92-93)

Da der Mensch als Abbild Gottes geschaffen wurde, soll er zur Erde zurückkehren. Einer Feuerbestattung steht das Judentum skeptisch gegenüber, da sie einer “zukünftigen Wiedervereinigung von Körper und Seele zuwiderläuft” ( Brämer 2010, S. 122). Um die Totenruhe dauerhaft zu gewährleisten, ist der Bestand der Gräber dauerhaft gewährleistet.

Das Leben nach dem Tod findet  im Judentum kein klares Konzept. Im dreizehnten Artikel der “Dreizehn Glaubensartikel des Maimonides” heißt es : “Ich glaube mit perfektem Glauben, dass es zur Auferstehung der Toten kommen wird, wann immer es dem Schöpfer beliebt(…)” ( Ehrlich 2005, S.57) Dennoch orientiert sich das jüdische Leben und Denken  sehr stark im realen Diesseits, statt “in einer wie auch immer beschaffenen jenseitigen Welt”(Ehrlich 2005, S.90) . Vielmehr glauben sie an ein Leben nach dem Tod und stellen Spekulationen darüber auf.

In der späten israelitischen Auferstehungshoffnung (der jüdischen Apokalyptik) wird auf das Gottes Reich gehofft, welches als Abschluss der Geschichte gedeutet wird. Es ist der “Höhepunkt der Tage” ( Stubenrauch 2007, S.151), an dem das Diesseits und Jenseits in Gegenwart von Gott zusammenfallen und friedvoll miteinander leben. Aufgrund von “Ungerechtigkeit, Neid und Gewalttat”(Stubenrauch 2007,S.151) ist dieser Tag jedoch bis heute nicht gekommen, so dass noch keine Toten auferstanden sind. Wird ein Toter jedoch auferweckt, kehrt er als ganzer Mensch wieder. Es wird davon ausgegangen, dass Leib und Seele “eine untrennbare Einheit” (Stubenrauch 2007,S.158) bilden, die während des Lebens als auch während des Todes und der Auferstehung erhalten bleibt. Das Leben danach geht, aus dieser Sichtweise betrachtet, auf irdischer Ebene weiter.

Neben dieser Auferstehungsvorstellung herrschte unter einigen jüdischen Gelehrten eine durch Platon beeinflusste (platonistische) Vorstellung über das Jenseits. Sie vergeistigen ihr Bild von der Auferstehung der Toten. In ihrer Vorstellung werden Körper und Seele eindeutig getrennt, so dass in der künftigen Welt lediglich “die Seelen der Rechtschaffenen ohne Körper, wie Engel” (Stubenrauch 2007,S.159) existieren. Die Vorstellung der unsterblichen Seele steht dem Glauben an die Auferweckung der Toten demnach nicht komplett entgegen.Es findet jedoch eine klar Trennung von Körper und Seele statt.

Das moderne Judentum schließt sich keiner dieser Vorstellungen konkret an. Sie glauben an die Unsterblichkeit der Seele und sehen ihren “Weg zum Ewigen” (Stubenrauch 2007, S. 159) auch im Tode nicht als beendet an. “Sterbend kommt der Gläubige seinem Gott besonders nahe” (Stubenrauch 2007,S.158-159).

“Heil und Unheil, Leben und Tod werden verstanden als dem Menschen, seinem eigenen Tun gemäß, zugemessenes Teil.” (Stephenson 1994, S.48) In diesem Zusammenhang weisen die Propheten des Judentums daraufhin, dass es eine richtende, tötende und lebendig machende Gottesherrschaft gibt. Der Mensch selbst bestimmt das Urteil durch sein Handeln. “Es wird eine Verbindung zwischen Sünde und Tod einerseits; Gerechtigkeit und Leben andererseits hergestellt.” (Stephenson 1994, S.50) Im Fall einer Sünde besteht allerdings die Möglichkeit durch Bekehrung errettet zu werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich innerhalb der Todes- und Jenseitsvorstellungen im Islam und Judentum sowohl Parallelen als auch Unterschiede erkennen lassen.

Die Bestattungsriten sind in beiden Religionen ähnlich, so dass der Leichnam gewaschen und in ein Tuch gewickelt werden muss. Anders als im Islam wird im Judentum während der Beerdigung zusätzlich eine Trauerrede gehalten. Die Feuerbestattung lehnen jedoch beide Religionsansichten ab.

Sowohl im Islam als auch im Judentum spricht man von einem Theozentrismus. Das bedeutet, dass Gottes Heiligkeit im Zentrum der jeweiligen Religion steht. ( Vgl. Stubenrauch 2007, S.136) Leben und Tod werden in beiden Religionen von Gott bestimmt. Während die Gläubigen im Islam bereits innerhalb ihres Lebens entscheiden müssen, ob sie Gott ergeben leben möchten oder nicht und somit ihr Urteil nach dem Tod nicht mehr beeinflussen können, ist es dem Israelischen Volk möglich, dass ihre Sünden durch Bekehrung Vergebung finden. In beiden Religionen ist der Zustand des Menschen im Jenseits von seinem Zustand im Diesseits abhängig. Unterscheiden kann man hierbei jedoch, dass den Toten im Islam eine Rückkehr ins Leben nicht ermöglicht wird, während im Judentum auf die Apokalypse und somit auf die Vereinigung von Lebenden und Toten gehofft wird.

Des Weiteren findet im Islam nach dem Tod eine klare Trennung von Körper und Seele steht. Im Judentum hingegen ist eine Rückkehr  “des ganzen Menschen mit Haut und Haaren” (Stubenrauch 2007, S.158) vorstellbar. Der Unsterblichkeit der Seele wird in beiden Religionen Glaube geschenkt. Im Koran werden konkrete Gegensätze zwischen Dieseits und Jenseits, sowie Gott und Mensch aufgezeigt, welche die Bedeutung von “alten” und “neuem” Leben verdeutlichen. Auffällig ist es, dass im Islam deutliche Vorstellungen von Paradies und Hölle herrschen, während es sich im Judentum nur um Spekulationen handelt. Beide Religionen hoffen auf eine Vereinigung mit Gott.

Fakt ist, dass die Predigten des Propheten Mohammed im Islam und die der Propheten im israelischen Volk ihren Gläubigern eine deutliche Wahl zwischen Leben und Tod lassen. Sie liefern einen “grundsätzlichen Appell von Mensch zu Mensch, das alte Leben “alt” sein zu lassen und sich für ein neues zu öffnen”. (Vgl. Stephenson 1994, S.60)

Die Vorstellungen vom Tod und Jenseits werden in den einzelnen Religionen unterschiedlich betrachtet. Sicher ist, dass diese Vorstellungen Einfluss auf das Verhalten der Lebenden und deren Schicksal ausüben. Was wirklich nach dem Tod passiert können wir nicht wissen, wir wissen nur,dass der Tod zum Leben dazugehört.

Literaturangaben :

Brämer, Andreas: Die 101 wichtigsten Fragen- Judentum/ Orig.-Ausg.; 2010; München: C.H.  Beck oHG

Buchberger, Michael; Kasper, Walter: Lexikon für Theologie und Kirche/ Bd.10 Thomaschristen bis Zytomyr; 3.völlig neu bearb.Aufl.; 2001; Freiburg im Breisgau [u.a.] : Herder

Ehrlich, Carl S. : Judentum / [Übers.aus dem Engl.: Martin Sulzer-Reichel]; 2005 ; Köln: Fleurus Idee

Horn, Friedrich Wilhelm; Nüssel, Friederike: Taschenlexikon Religion und Theologie/ Bd.3 O-Z ; 5.,völlig neu bearb. und erw.Aufl.; 2008; Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht

Hübsch, Hadayatullah: Paradies und Hölle- Jenseitsvorstlellungen im Islam ; 2003;  Düsseldorf: Pantos Verlag

Stephenson, Gunther: Leben und Tod in den Religionen- Symbol und Wirklichkeit/ 3.unveränderte Aufl.;1994; Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft

Stubenrauch, Bertram: Was kommt danach?; 2007; München: Pattloch Verlag


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